Mittwoch, März 29, 2006

Speichern Sie den Kontext jetzt

"Das ist der wahre Unterschied zwischen Männern und Frauen", sagte eine Stimme zwei Sitze weiter und sie sagte es zwischen Hackerbrücke und Hauptbahnhof so eindringlich, dass ich mich gleich ärgern musste. Da findet jemand die Weltformel und mir fällt nichts besseres ein, als entrückt in einer Frauenzeitschrift zu lesen. Jetzt aber aufgepasst. Der wahre Unterschied zwischen Mann und Frau. "Weißt du", sagte die Stimme, die einem Mann um die 40 gehörte, der sich sehr gescheit anhörte und sich auch so fand, "Weißt du, das ist die Kontextspeicherung. So können sich Männer alles merken. Ich speichere das im Kontext, durch das Drumherum." Seine Sitznachbarin hörte aufmerksam zu und dabei speicherte er wahrscheinlich gerade den Kontext "Gabi auf blauem Sitz in der S-Bahn Richtung Kreuzstraße kurz vor Hauptbahnhof".
Ich glaube nicht, dass Männer im Kontext speichern. Ich glaube eher, dieser Mann hat in der S6 gerade seine weibliche Seite verleugnet. Frauen speichern im Kontext. Frauen finden Schuhe, Brillen, Unterhosen, weil sie wissen, in welchem Kontext Schuhe, Brillen oder Unterhosen in der Wohnung verteilt sind. Männer dagegen legen Schuhe, Brillen oder Unterhosen irgendwohin, in einen Kontextfreien Raum, wo sie diese Gegenstände ohne die Hilfe ihrer Kontextspeicherndern Frau/Freundin nie finden würden.
Das ist die Weltformel.

Zurückbleiben bitte

Menschen verfallen in öffentlichen Verkehrsmitteln in eine seltsame Starre. Sie bewegen sich nicht, sie verkrampfen sich bei dem Versuch, mit ihrem Knie nicht den Oberschenkel des Sitznachbarn zu berühren und sie schweigen. Viele starren beim Schweigen nur vor sich hin, andere starren aus dem Fenster, wieder andere starren ihre Mitfahrer an. Manche lesen, so wie ich. Aber manche unterhalten sich. Und sie reden dabei manchmal einen solchen Mist, dass ich so tun muss, als ob ich lese. Untergrundgespräche - vielleicht liegt's an den paar Metern unter der Oberfläche, dass Menschen seltsame Sachen sagen.